Zulu-Land und tropische Küstenwälder

Auf einen Hauch von Transkei hoffen wir in Margate, 20 Kilometer nördlich der Wild Coast. Unser Aufenthalt hier fällt allerdings kürzer aus als geplant.
   Nahezu alle Gebäude, Anlagen und Hotels sind hinter hohen und mit Stacheldraht dick umwickelten Mauern von der Außenwelt abgeschottet. Ein Zutritt, wohin auch immer, erfolgt meist durch Alarmanlagen-abgesicherte und bewachte Eingänge. Ferienanlagen für Häftlinge, kommt uns in den Sinn. Wir finden dennoch eine ganz nette und gemütliche, vor allem frei zugängliche Bungalowanlage. Dafür sitzt hier der Eigentümer hinter schweren Eisengittern verschanzt in seinem Häuschen (na ja, besser er als wir).
   Eine Fahrt durch Xhosa-Land und kleine Dörfer zur Oribi-Schlucht hebt unsere Stimmung wieder. Wie der Grand Canyon, nur in Kleinmaßstab natürlich, hat sich hier der Umzimkulwana seit vielen Jahrmillionen in ein Hochplateau eingegraben. Die Ausblicke vom Rand hinunter auf eine Schleife des Flusses und die Schlucht mit Wasserfall sind spektakulär - vor allem ohne irgendeine Absicherung oder Zaun. Der absolute Kick bei der Wanderung entlang des Plateaus ist das Päuschen auf dem "Hanging Rock". Hier stehen, oder besser, sitzen wir tatsächlich
200 Meter quasi frei schwebend über dem Abgrund. Das Ziehen im Bauch beim Hinabblicken von dort oben spüren wir heute noch, wenn wir daran denken.

   In St. Lucia, dem südlichsten Ort des Greater St. Lucia Wetland Park fühlen wir uns wie im Paradies. Tropischer Wald, warm und Leben auf den Straßen. In der Hornbill Street finden wir einen zauberhaften Bungalow mit Aussicht auf Dschungel und Ozean.
   Mitten im Ort gibt es einen Markt, wo Zulus sehr hübsche selbst angefertigte Dinge verkaufen: Körbe, Matten, Tongefäße, geschnitzte Masken, Figuren und Tiere. Hier schlagen wir auch gleich so richtig zu (um nicht wie im vergangenen Jahr die Mitbringsel für die Lieben daheim noch auf den letzten Drücker im Airport-Shop für ein Schweinegeld erstehen zu müssen).
   Linda krallt sich als allererstes einen riesigen, dicken Vogel, der aus allem herausragt. Der muss her (natürlich für keinen der Lieben zu Hause). Und beim Preis von umgerechnet fünf Euro fackeln wir nicht lange. Ein paar gemusterte Minikörbchen, ein zweiter Vogel (ähnlich, aber klein - und auch nicht zum Verschenken), eine Maske, Trommel und ein paar als Perlhuhn geformte Tonbecher gehen noch in unseren Besitz über, und glücklich kehren wir in die Hornbill Street zurück - Linda mit dem Kleinzeug und Hans mit weiteren Tüten und dem dicken, ziemlich schweren Vogel unterm Arm.
   Die Fahrt zum Cap Vidal bietet uns einen kleinen Vorgeschmack auf den Krüger Park. Eine Gruppe Kudus guckt uns neugierig entgegen, als wir neben ihnen halten, Warzenschweine, Impalas und Dikdiks, Mini-Antilopen kaum größer als ein mittlerer Hund, springen vor uns über die Straße. Lange Zeit beobachten wir einen Schopfadler beim Flug und anschließender Gefiederpflege auf einem kahlen, allein stehenden Baum.
   In der Hochsaison ein Dorado für Wassersportler und Angler, liegt an diesem Nachmittag der Strand von Cap Vidal verlassen vor uns. Es pfeift ein ordentlicher Wind, nur vereinzelt sind ein paar Spaziergänger unterwegs.
   Dass wir den Vorschlag unserer Gastgeberin übergangen haben, Schnorchelausrüstung mitzunehmen, bedauern wir nicht besonders. Wir betrachten die aufgepeitschten Wellenberge und sehen uns darin wie Korken auf und nieder tanzen. Sie hat aber vielleicht einen anderen Ort gemeint. Wir lassen uns da lieber in einer windgeschützten Kuhle nieder und uns erstmals so richtig die Sonne auf die faule Haut brennen.


   Erster Anlaufpunkt der Erkundung unserer unmittelbaren Umgebung ist die Mündung des Lake St. Lucia, der die
letzten Kilometer als Fluss den Indischen Ozean erreicht.
   Das knallgelbe Warnschild „Vorsicht: Krokodile!“ lässt uns die ersten Schritte vom Parkplatz zum Fluss etwas zögerlich angehen. Angesichts der zahlreichen Angler, die es wohl im Ernstfall vor uns erwischen würde, gehen wir jedoch entschlossen dem Wasser entgegen. Dennoch beäugen wir argwöhnisch jeden größeren Busch und das hohe Gras. Dann entdecken wir ein Riesen-Exemplar der Panzerechsen, allerdings weit weg am anderen Ufer im Sand.

   Aus unmittelbarer Nähe können wir sie später bei einer Bootsfahrt bewundern. Bis auf wenige Meter nähern wir uns den Mangrove-Inseln, auf denen sie träge herumliegen und den Anschein erwecken, als würden sie dösen. Ein Auge hat uns aber stets im Visier. Wir schippern vorbei an prustenden, ebenfalls sehr wachsamen Flusspferden, diesmal in gehörigem Abstand. Aus nächster Nähe wiederum können wir jede Menge Goliath-, Seidenreiher und Schreiseeadler beobachten.















   Die Gelegenheit, eine kleine Zulu-Gemeinde zu besuchen, lassen wir uns nicht entgehen. Mit klapprigem Benz und einheimischem Begleiter geht es nach Khula. Fünf Kilometer hinter St.Lucia verlassen wir die Teerstraße und passieren nach ein paar Metern Staubstraße ein Häuschen. Was wie ein kleiner Wachposten aussieht, entpuppt sich als Art Kiosk, wo es Zeitungen und Tabak gibt.
   Erster Stopp beim Supermarkt: Wir sollen Bonbons kaufen, da wir gleich einen Kindergarten besuchen werden. Die Lady hinter der Theke kramt alle Vorräte aus dem Laden zusammen, und mit einer Riesentüte ziehen wir weiter.
   Wir hatten mit einer kleinen Rundfahrt gerechnet. Jetzt stehen wir da inmitten von etwa 40 Kindern zwischen zwei und sechs Jahren, die uns nicht nur fröhlich begrüßen, sondern auch noch Lieder für uns singen und tanzen. Die Lehrerin trommelt dazu abwechselnd auf eine Obstkiste und einen Plastikeimer. Wir sind ziemlich geplättet und kommen uns mit den Bonbons etwas idiotisch vor. Wir hätten lieber einen Satz ordentliche Trommeln kaufen sollen, denken wir. Aber als wir die sehnsüchtigen Blicke auf unsere Tüte sehen, entspannen wir uns wieder. Über die Bonbons freuen sich die Kleinen aufrichtig.
   Etwas bodenständiger läuft unser Besuch beim Medizinmann ab. Besser gesagt, bei dessen Lehrling - der alte ist zurzeit sehr krank. Für 25 Rand können wir alles über unsere Zukunft erfahren. Na, wenn das kein
guter Deal ist. Mit unserem 50-Rand-Schein (gewechselt wird später) unter der Matte liest der Junge, assistiert von seiner Schwester, aus einem auf den Boden gekippten Wust aus Muscheln, Perlen, Klötzchen, Stofffusseln, kleinen Knochen (echt!) und, wie wir staunen, einem Bleistiftspitzer, für uns nur das Allererfreulichste heraus. Zufrieden verlassen wir das Orakel, im Schlepptau der Zwillingsschwester des Zauberlehrlings, die es sich nicht nehmen lässt, die Banknote zu wechseln.
   Bei der Highshool unterhalten wir uns lange mit einem jungen, wissbegierigen Lehrer. Er quetscht uns mit derselben Begeisterung aus, mit der er über seine Errungenschaften für die Schule plaudert. Ein einsamer (weißer) Handwerker zieht hinter uns ein Kabel die Wand entlang. Die Klasse bekommt demnächst neue Computer, erzählt uns der Lehrer.
   Ein lebhaftes Beispiel, wie Fortschritt durchaus mit Tradition harmonieren kann, ist der Kleine, der uns unterwegs mit seinem Handy über den Weg läuft.
   Letzte Station unseres Besuchs ist eine Weberin. Die kleine Holzhütte hier am Rand des Ortes ist nicht mehr so ansehnlich wie die bisherigen, die Begrüßung jedoch von der gleichen aufrichtigen Herzlichkeit, die wir überall gespürt haben. Linda wird dazu verdonnert, ein paar Knoten einer Matte selbst zu knüpfen. Ist ziemlich kompliziert. Die Lady freut sich diebisch, als Linda sich etwas doof anstellt. Unser Fahrer dämpft uns vehement, als wir einen Obolus auch hier entrichten möchten. Fünf Rand seien mehr als genug. Wieder mal sind wir etwas irritiert und stellen fest, dass uns wohl jegliches Gefühl für die hiesigen Relationen abgeht.